Dieser Beitrag stammt von Bernhard Niedermair, der ihn mir freundlicherweise zur Verfügung gestellt hat. Bitte informieren Sie sich auf seiner Website www.tenkara-austria.at und auf Facebook unter https://www.facebook.com/profile.php?id=100004154807507 über weitere Beiträge zum Thema Fliegen- und Tenkara-Fischerei des erfahrenen Autors.
Obwohl die älteste und ursprünglichste Form der Fliegenfischerei bereits seit Jahrhunderten betrieben wird, ist die Nassfliege in der heutigen Praxis kaum mehr existent. Trockenfliegen und Nymphen sind in aller Munde, wenn über die fängigsten Fliegen diskutiert wird und so kommt die Nassfliege aus ihrer Abseitsposition nicht mehr heraus.
Doch jeder, der eine solche schon einmal an sein Vorfach gebunden hat, weiß um die Schönheit, Reinheit und vor allem auch um die Effektivität dieser Fischerei Bescheid, denn die spärlich gebundene Fliege hat eine unglaubliche Wirkung auf Fische. Die Nassfliege ist meiner Meinung nach das ideale Bindeglied zwischen Trockenfliege und Nymphe und ist in der Lage, eine Vielzahl an unterschiedlichen Insekten nachzuahmen.
Einfacher geht es wirklich nicht
Ich denke, dass die sogenannte „Königsdisziplin“ Fliegenfischen sehr oft überbewertet wird, denn mit der Fliege zu fischen ist keine Kunst, sondern einfach nur eine besondere Technik. Und das Fischen mit der Nassfliege ist eine besonders entspannte Möglichkeit davon: Man bindet die Nassfliege an ein langes Vorfach und wirft diese dann quer über den Fluss. Anschließend lässt man die von der Strömung erfasste Fliege mit dem daraus resultierenden Bogen der Fliegenschnur wieder zurück ans eigene Ufer treiben (swingen). Im Englischen nennt man das den Wetfly-Swing. Wer ein paar Meter Fliegenschnur im Griff hat, wird seine Fische fangen.
So wird die Nassfliege gefischt
Bei der Nymphen- / Trockenfliegenfischerei wird stetig versucht, das seitliche Abtreiben der Fliege (Dreggen/Furchen) zu vermeiden, bei der Nassfliege jedoch muss man darauf keinerlei Rücksicht nehmen, im Gegenteil: Damit Zug auf die Leine kommt und die Fliege im Bogen ans eigene Ufer schwingt, wird die Strömung genutzt. Sie drückt einen Schnurbogen in die Leine und dieser Bogen spielt eine wichtige Rolle, denn je nach dessen Größe kontrolliert man damit den Winkel und die Geschwindigkeit der Fliege im "Swing". Dezentes Mending (Umlegen) der Flugschnur stromauf und die Fliege treibt langsamer, Mending stromab und die Fliege wird schneller. Und …. mit dem Menden der Leine - in welche Richtung auch immer - kann man genau den Zeitpunkt festlegen, an dem die Nassfliege ihren "Swing" beginnt.
Der Biss kommt sehr häufig in dieser so genannten Swing-Phase und kann kaum wahrnehmbar bis sehr heftig erfolgen. Darum ist angeraten, die Vorfachspitze nicht dünner als 0,16 mm zu wählen.
Die zarten, weichen und spärlichen Hecheln der Fliegen (siehe auch Bauplan von Nassfliegen) sorgen dafür, dass diese nur knapp unter der Wasseroberfläche oder im Oberflächenfilm treiben und Bisse dadurch nicht nur gespürt werden können, sondern auch optisch meist wahrnehmbar sind, wenn der Fisch die Wasseroberfläche mit dem Rücken durchbricht (dies wird oft irrtümlich als Steigen nach Trockenfliegen interpretiert). Nach dem Biss ist das bloße Anheben der Rute meist ausreichend, da der Strömungsdruck genügt, um den Haken korrekt zu platzieren.
An dicht bewachsenen Bächen und kleineren Flüssen
Dort wird die Nassfliege einfach abgelegt, anschließend die Wurfschnur nachgefüttert und samt der Schnur stromab treiben gelassen. Dann wird mit Hilfe der Rute unter überhängende Äste oder Sträucher dirigiert. Im richtigen Moment hält man die Fliege an und sie schwingt verführerisch am Unterstand vorbei. Dies ist eine hervorragende Methode für Problemzonen. Auch wenn das nichts mit Wurfkönnen zu tun hat, ist sie dafür aber umso effizienter.
Ein weiterer Trick, den ich gerne anwende, ist die Nassfliege mit einem dezenten Ruck unter die Wasseroberfläche zu ziehen. Dabei entstehen kleine Luftbläschen, die sich in den Hecheln festsetzen und so einfach genial aufsteigende Insekten imitieren. Diese Art von „Gasfüllung“ und Aufstiegshilfe von Nymphen und Insektenlarven reflektiert auch Licht und glitzert verlockend.
Der Biss kann an allen möglichen Stellen kommen, manche Forellen und Äschen steigen von tief am Grund auf und attackieren den kleinen Happen, andere schlagen von der Seite zu. Was aber oft auffällt, ist die Aggressivität, mit der dies passiert. Die Reize, welche von der Nassfliege ausgehen, sind unglaublich attraktiv für die Fische.
Bauplan
Da ich es nicht mag, stundenlang am Bindestock zu hocken, liebe ich es, absolut minimalistische Fliegen zu binden. Mit wenig Materialaufwand hergestellt, ist man damit am Wasser für ein breit gefächertes Spektrum an unterschiedlichen Situationen bestens gewappnet.
Nassfliegen kann man grundsätzlich als sehr schlicht gehaltene Muster bezeichnen. Einen bewährten Klassiker stellt die beliebte P&O (Partridge & Orange) dar. Diese besteht nur aus 3 Elementen: Dem Haken, der Bindeseide und einer weichen Rebhuhnfeder.
Mehr als Haken (ich verwende Trockenfliegen- oder Nassfliegenhaken), Bindefaden (Orange ist immer ein Vorteil) und eine Soft-Hechel vom Rebhuhn braucht es nicht um eine fängige Nassfliege zu binden und um die Fische zu verführen.
In ihrer Schlichtheit erscheint eine Nassfliege schon wieder als sehr ästhetisch und urtümlich. Dabei sind die weichen Hecheln wohl der Schlüssel zum Erfolg, wenn sie verführerisch in der Strömung spielen. Wichtig ist es jedoch, dass mit entsprechender Sorgfalt gebunden wird, um den filigranen Charakter dieser Fliegen zu bewahren.
Besonderheit
Bei der japanische Nassfliege (Kebari, im Bild rechts) werden die Weichhecheln nach vorne gebunden und mit einem einfachen Trick belebt: Durch feines Heben und Senken der Rutenspitze oder durch Klopfen mit dem Zeigefinger auf den Rutengriff wird diesen Fliegen Leben eingehaucht und dieses Pulsen ist der Schlüsselreiz, um die Fressattacke des Fisches auszulösen. Durch das Pulsen der Kebari werden die Hecheln belebt und imitieren so Beinchen, die sich bewegen.
Binden und Fischen
Beim Binden einer Kebari wird am Hakenöhr begonnen und am Hakenschaft abgeschlossen. Ich fische Kebaris sowohl mit der Tenkara-Rute also auch mit der normalen Fliegenrute.
Wo einsetzen?
Nassfliegen fische ich eigentlich an jeder beliebigen Stelle im Bach oder im Fluss, also sowohl an sehr langsamen und seichten Abschnitten als auch in schnellfließenden Gewässerpassagen. Sobald ein potenzieller Fischstandplatz in der Nähe ist, lohnt sich ein Wurf. Ich bekomme Bisse an Stellen, an denen ich nie eine Nymphe hinwerfen würde, weil sie zu flach sind oder kaum Strömung aufweisen. Die unbeschwerte Nassfliege furcht manchmal im Oberflächenfilm, taucht aber gelegentlich auch einige Zentimeter ein und lässt so das Vorfach unsichtbar werden. Ist die Strömung nur schwach, beschleunige ich die Nassfliege, ist die Strömung stark, so lasse ich sie mit halber Strömungsgeschwindigkeit quer über die heißen Stellen driften.
Ruten
Für die Fischerei mit Nassfliegen eignen sich besonders gefühlvolle Fliegenruten mit einer etwas langsameren Aktion. Vorzugsweise in den Längen von 8 bis 10/11 feet und in den Schnurklassen 3 bis 5. Bei Tenkara-Ruten verwende ich bevorzugt die Akltion 7:3.
Abschluss
Man könnte diese Art des Fliegenfischens auch als „Mini-Lachsfischerei“ bezeichnen. Ich kann nur jedem Fliegenfischer und jeder Fliegenfischerin ans Herz legen, sich unvoreingenommen mit der Nassfliegenfischerei auseinanderzusetzen. Die ersten Erfolge werden sich schnell einstellen und das Repertoire ist um eine wertvolle Facette erweitert.