Seidenschnüre einwerfen

Seidenschnüre einwerfen




Das Einwerfen von Seidenschnüren hat etwas Mystisches an sich. Da stellen sich
mehrere Fragen: Muss es wirklich sein? Worauf muss ich achten? Welches Ergebnis kann ich erzielen?

Jeder, der das erste Mal mit einer Seidenschnur wirft, bekommt einen Schreck. Die Schnur ist starr, rauscht in den Ringen und scheint völlig ungeeignet zum praxisgerechten Fliegenfischen. Des Rätsels Lösung: Die Schnur muss zunächst eingeworfen werden. Dann erst zeigt sie, was wirklich in ihr steckt. Nach einer ganzen Reihe eingeworfener Phoenix- und Thebault-Seidenschnüre kann ich Ihnen dazu ein paar Ratschläge geben.

Unterschiedliche Schnüre

Eine Phoenix-Seidenschnur ist nicht so wie eine Thebault-Seidenschnur. Abgesehen davon, dass die Phoenix eine Schnurklasse dünner ist, lässt sie sich auch schneller einwerfen. In Zahlen ausgedrückt: Eine Phoenix-Seidenschnur ist etwa nach dem zehnten Mal Werfen eingefischt. Eine Thebault-Seidenschnur braucht dafür etwa fünfmal so lange. Beide Schnüre werden im Ergebnis gleich gut.

Es lohnt sich

Lohnt es sich, eine Seidenschnur einzufischen? Die Frage ist eigentlich völlig falsch, denn das Einfischen ist ein ganz wesentlicher Faktor für das gute Funktionieren der Seidenschnur. Ist eine Seidenschnur völlig eingefischt, wird sie zu einem fantastischen Wurfinstrument: butterweich, kein Memory, keine Dehnung, jahrelange Haltbarkeit, weil unempfindlich gegen die UV-Strahlung. Die Schnüre sind teurer als Kunststoff-Fliegenschnüre, aber sie machen sich langfristig bezahlt.

So geht es

Natürlich können Sie die Seidenschnur beim Fischen einwerfen. Das machen in der Regel die meisten Fliegenfischer so. Es geht aber auch anders – und noch besser – auf der Wiese. Der große Vorteil dort: Sie können die Schnur gleichmäßig über einen großen Teil der Leine einwerfen. Dabei nutzen Sie die Schnur in ihrer gesamten Länge und nicht nur einzelne kurze Bereiche. Sie erhalten damit eine sauber gepflegte Schnur.

Ich persönlich gehe gerne auf eine Wiese. Der Hund sitzt im Schatten und schaut mir zu. Kurze Schwünge, Schnur verlängern, lange Schwünge, dann ganz lange Würfe so weit wie ich kann. Zehn bis fünfzehn Minuten konzentriertes Werfe reichen. Nach dem fünften Mal merke ich, dass sich meine Technik verbessert. Auch die Schnur kommt jetzt allmählich, sie wird leiser und weicher. Noch ein paarmal werfen, dann ist sie ein Traum.

Hilfsmittel

Manchmal fragen mich Kunden, ob man das Einfischen beschleunigen kann. Die einfache Antwort ist Ja, das geht. Was Sie dazu brauchen, ist ein kleines Instrument, das aus einer Holzplatte mit drei daran befestigten drehbaren Stäben besteht. Die Abbildung zeigt die Konstruktion von Harald Langer. Daran wird die Schnur zweimal darunter und einmal darüber durchgezogen.

Drehbar ist deshalb so wichtig, weil die Schnur sonst beschädigt wird. Drehen sich die Stäbe nicht, so wird die Schnur zu heiß und schmilzt. Das ist mir leider selbst schon passiert.

Bitte gönnen Sie Ihrer neuen Schnur auch dabei gelegentlich ein wenig Ruhe. Eine Seidenschnur ist wie ein guter neuer Hund, er möchte langsam und sorgfältig an die Jagd herangeführt werden. Das dankt er Ihnen dann mit jahrelangem Jagdeifer.

Meine Ritz Lambiotte: Ein ganz besonderer Fall

Die Ritz P.P.P. Master Typ „Lambiotte“ zählt zu den besten Wurfinstrumenten, die je im Gespließtenbau entwickelt wurden. Sie ist allerdings etwas schwer, denn sie hat eine Länge von 8,3 Fuß, das sind 2,53 Meter. Jahrelang stand sie daher in meinem Regal und fristete ein einsames Rutenleben.

Eines Tages nahm ich sie mit auf die Messe „Erlebniswelt Fliegenfischen“. Dort entdeckte sie mein Freund Jean-Pierre Thebault, französischer Vize-Castingmeister und Bauer der wunderbaren Seidenschnüre. „That`s really a very fine rod“, meinte er bewundernd. „I have got the right line for her.“ Er spult seine WF6 auf meine Rolle und ab gings auf die Wiese. Ich kann nur sagen: Hut ab! Was die Rute mit dieser Schnur machte, war genial. Auf Anhieb gelangen mir mit der guten Parabolic-Fliegenrute richtig weite Würfe. Jetzt kann ich verstehen, warum Charles Ritz mit allergrößter Hochachtung von seinem Freund Lambiotte sprach und die Rute nach ihm benannte.

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